07.09.2011

Die Ära der neuen Wertegemeinschaft

Die Wertegemeinschaft der neuen Aufklärer ist ein Segen für die Demokratie – täglich sägt sie am Stuhl der alten Schule des Machterhalts: Gemeinschaftlich beschaffte und interpretierte Information ist frei von Zwecken des politischen Machtmissbrauchs und gewinnt zunehmend die Oberhand über die alten Instanzen der Informationsgewalt. Die Revolution der Wertegemeinschaft hat begonnen.

Die Macht der alten Schule, so könnte man beim Blick in die Schlagzeilen resigniert seufzen, ist grenzenlos. Ich weigere mich, in diesen Kulturpessimismus einzustimmen. Hinter den Nachrichten der letzten Wochen und Monate über die Verstrickungen von Politik und Medienwirtschaft, hinter den Meldungen über aufgeflogene Korruptionsfälle und vertuschten Lobbyismus in der Hochfinanz sehe ich ein ganz anderes Muster, das vom Erblühen einer neuen Wertegemeinschaft zeugt.

Zwischen den Zeilen jener Meldungen über die Entartungen von Macht schwingt nämlich die Erkenntnis mit, dass wir uns zunehmend über das Informationsmonopol der Medienkonzerne erheben. Viele Enthüllungen der jüngsten Zeit verdanken wir einer ganz andere Stimme: Durch die fortschreitende soziale und technische Vernetzung hat die globale Informationsgemeinschaft die Ablösung der politischen Sprachrohre angetreten. Die Interpretationshoheit der Medienkonzerne alter Schule und mit ihr die Wirksamkeit von Information als Waffe der Mächtigen werden zunehmend entschärft.

Doch auch innerhalb der alten Instanzen wächst die Bereitschaft zur Meuterei, wie der Skandal um Rupert Murdochs Boulevardblatt News of the World zeigt: Es war ein ehemaliger Reporter des Blattes, der die Enthüllungen in Gang setzte.

Die Wertegemeinschaft macht keine Gefangenen

Dass der Medienmogul Rupert Murdoch bei seiner Anhörung vor dem Medienausschuss des britischen Unterhauses wirkte wie ein greiser, zahnloser Säbelzahntiger aus einer längst vergangenen Zeit, ist ein Symbol des Verfalls der Instanzen alter Schule: Der alte Mann steht stellvertretend für eine Ära des Machtmissbrauchs, die mit großen Schritten dem Wertebewusstsein des emanzipierten Informationsbürgers weichen muss. Die Warnung sitzt. Und es ist nur eine von vielen.

Genau hier liegt das Muster, das mich hoffnungsvoll stimmt: in der Frequenz, mit der die Symptome des Machtmissbrauchs durch rasende Verbreitung und freie Interpretation von Information aufgedeckt werden; und in der Botschaft, die mit diesen Warnungen einhergeht. Es ist eine Botschaft von Freiheit und Demokratie – eine Botschaft des Wandels.

Das böse Erwachen der alten Werteinstanzen

Die klassischen Instanzen der Macht – Regierungen und Medienkonzerne, aber auch Kirchen, Hochfinanz und andere – haben die Gefahr, die von  dieser Entwicklung für ihren Machterhalt ausgeht, längst erkannt. Nicht viel besser als Murdoch vor dem Ausschuss sah denn auch der britische Premier David Cameron aus, als er in einer beispiellosen Reuebekundung die Vergebung der britischen Öffentlichkeit suchte. Die Financial Times Deutschland zitierte ihn zum Wertebewusstsein der Politik: „Wir stecken alle mit drin – die Presse, die Politiker, die Chefs aller Parteien, ich selbst inbegriffen.“ Auch das Ziel des Machterhalts benannte Cameron explizit: „Die Parteiführer seien so erpicht darauf gewesen, in der Gunst der Zeitungen zu stehen, dass sie wissentlich ignoriert hätten, wie bei einigen Blättern gearbeitet worden sei“, gab die FTD seine Aussagen wieder.

Die Macht frisst ihre Kinder

Camerons Worte sind nicht weniger als das Eingeständnis, Macht als Selbstzweck ausgeübt zu haben. Der Guardian erinnerte derweil daran, dass der Premier mit einem explizit gegen Machtmissbrauch gerichteten Amtsverständnis die Führung des Landes angetreten hatte und zitierte sein Wertecredo aus dem Wahlkampf: „We have a political philosophy that at its heart is about taking power and control from the political elite and giving it to the man and woman in the street.“ Nicht nur Camerons Image ist durch die Affäre angekratzt – die politische Elite im Allgemeinen steht einmal mehr unter Generalverdacht. Und zwar zu Recht.

Wer Partikularinteressen über die Interessen der Gemeinschaft stellt, in deren Dienst er steht, willigt jedoch in den eigenen Untergang ein. Die Macht frisst ihre Kinder. An den unablässigen Meldungen über innen-, außen- und wirtschaftspolitische Skandale können wir das täglich nachvollziehen.

Boten der Wertegemeinschaft, vernetzt Euch!

Wir leben in einer großartigen Zeit: in einer Zeit, in der die Gemeinschaft die einmalige Chance hat, sich täglich aufs Neue gegen den Machtmissbrauch zu erheben. Mit dem Reifungsprozess des Internets in Form von zunehmender sozialer Vernetzung haben wir die Chance, den Machtcliquen ihre eigene Waffe aus der Hand zu nehmen: die Information und deren Deutung.

Die Zeichen des Wandels sind unübersehbar: Diese Meuterei, diese Revolution ist längst im Gange. Sie macht auch – und das spricht für die Selbstreinigungskraft dieses Systems – vor neuen potenziellen Machtballungen im Umfeld der Wertegemeinschaft selbst nicht halt, wie jüngst etwa die Enthüllungen über Schwarzes Marketing bei Facebook zeigten. Es liegt bei den demokratisch gewählten Instanzen unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung ganz allein, ob sie ihr gewachsen sind.

Handlungsempfehlung: Schauen Sie in den Spiegel Ihres Wertebewusstseins

Es reicht nicht aus, dass die Pioniere der neuen Aufklärung gegen die alte Schule aufbegehren. Der Wandel braucht jeden Einzelnen als Teil der Wertegemeinschaft. Wir alle sollten deshalb täglich in den Spiegel unseres Wertebewusstseins schauen und uns fragen: Wie ernst ist es mir mit den Werten, für die ich eintrete?

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